Gebaut 1988 steht über der Eingangstür. Wir betreten ein Gästezimmer des drei Sterne Komforthotels “Zur Linde” im Luftkurort Sieber. Sieber liegt im Harz, der höchsten Bergregion in Norddeutschland. Mit 1141 Metern Höhe über dem Meeresspiegel ist der Brocken der der höchste Berg des Harzes. Damit ist er mehr als 6,79 mal so hoch wie der 168m hohe Bungsberg, der die Spitze von Schleswig-Holstein ausmacht und den wohl einzigen Schlepplift in Schleswig-Holstein beherrbergt. Selbst Sieber liegt etwa doppelt so hoch wie der Bungsberg. Entsprechend aufgeregt ist ein Flachlandtiroler, beim Bezug des Gästezimmers im Harz, dem ersten Höhepunkt eines Kurzurlaubs.
Das Gästezimmer enttäuscht nicht. Es läßt jede 80er Jahre Show fade erscheinen, die nicht erst seit dem Herbst wie Pilze aus dem Boden sprießen. Die zwei Räume des Appartements präsentieren sich als seien sie eigens als typisch deutsches Heimatmuseum der 80er Jahre für asiatische Touristen hergerichtet worden. Doch hier in Sieber meint man es nicht lustig, wenn Hirschgeweihlampen an der Decke hängen und die Schrankwand im Eichenimitat auf die Einbaukücke abgestimmt ist.
Seit Anfang der 80er Jahre präsentiert sich die 755 Seelengmeinde unverändert ihren Besuchern. Ein Bach, die Sieber, durchquert den Ort. Gleich neben dem Bach liegt das Kur- und Freizeitgelände. Hier bietet sich dem Gast ein Feuerwerk der Attraktionen: ein ökologisch korrekt mit Solarstrom bezeites Freibad, eine 50m Superrutsche, ein im Harz einmaliger Abenteuerspielplatz, das Haus des Gastes mit regelmäßigen Veranstaltungen, eine Wassertretstelle und ein jüngst eröffneter Flußlehrpfad. Das klingt lächerlich, aber wer an einem Sonntag durch das Gelände streift, der merkt wie sehr der Kiosk mit Kaffee und Kuchen für 1,50 Euro und der Abenteuerspielplatz die Bedürfnisse von Familien treffen.
Von Sieber aus lassen sich zwei Berggipfel erobern: Hanskühnenburg (811m) und der Große Knollen (687m). Der Weg zur Hanskühnenburg ist von den Naturgewalten des Harzes gezeichnet. Alle Jahre wieder kommt ein Orkan am ersten großen Hindernis im Westharz vorbei und stutzt den Fichtenbewuchs. Das Ergebnis ist ein vor Sonne kaum geschützter letzter Anstieg zum Gipfel. Hier kann sich glücklich schätzen, wer im Kinderwagen sitzt, denn auch die geteerte Straße findet ihr Ende auf den letzten Metern vor dem Ziel. Oben einmal angekommen, belohnt eine Bergwirtschaft die müden Familien – wie könnte es im Nationalharz anders sein – mit Bier und Erbsensuppe mit und ohne Würstchen.
Zuviel Zeit darf man sich beim Abstieg nicht lassen. Spätestens um 21:00 Uhr schließen die Gasthäuser im Tal. Wer vorher noch ein Abendessen erhalten möchte, sollte sich sputen.
Irgendwie ist Sieber der Inbegriff von Langweiligkeit. Und dennoch, um den goldenen Oktober zu erleben oder die nicht vorhandenen Kinder auf dem Abenteuerspielplatz zu parken, dessen 50m Superrutsche nur bei bestimmten Stoffsorten funktioniert, ist der Ort erwähnenswert.
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