Ulf Wendel

Das Schweinerl

Robert Lembke hätte seine wahre Freude an dem Mietwagen, den ich dieses Wochenende fahren durfte. Das Schweinerl aus seiner Sendung “Wer bin ich?” hätte sich binnen minutenfrist mit Heiermännern gefüllt. Damals, als der Quotenrenner noch über die Mattscheibe flimmerte, wäre wohl keinem Jurymitglied eine passende Umschreibung für den Seat Altea eingefallen. Selbst die Autovermietungen wissen nicht wo sie dieses Auto einsortieren sollen. Hertz dreht es mir als Auto aus der Klasse “Intermediate – Group E (ICMR) VW Passat oder ähnlich” an. Doch dazu später mehr.

Seat nennt den Altea einen Sport-Van aus der Kompakt-Van Klasse. Klingt ja klasse. Ãœbersetzt bedeutet, daß etwa folgendes. Es ist ein Auto. Es sieht aus die ein Kugelfisch. Doch weil ein Kugelfisch nicht besonders zum dynamischen Image passt, das sich die Marke geben möchte, gibt es von Hause aus bereits reichlich Blechfalten. Bei anderen Autos entstehen diese erst nach zahlreichen Parkplatzremplern. Die Blechfalten machen aus dem Kugelfisch einen flotten Flitzer, so Seat.

Platzangebot

“Ein schnittiges Modell” höre ich jemanden sagen als er den Wagen sieht. Stimmt schon. Die Blechfalten, die Schlitzaugen, die hervorgehobenen Räder schaffen ein dynamisches Äußeres. Doch dann kommen die Enttäuschungen. Warum sieht das Plastik im Innenraum so häßlich aus, warum ist die Mittelarmlehne viel zu kurz, warum kann ich das Tacho nicht vollständig einsehen, wenn ich das Lenkrad bequem einstelle, warum gibt es nur so wenig Ablagen für Kleinkram, warum wird das Radio dröhnig bei voller Lautstärke. Apropos Platzangebot: drei Wasserkisten und der Kofferraum ist gut gefüllt. Drei Neffen, die vom Hockeytraining abgeholt werden wollen und es gibt Buhrufe. “Und wohin mit den Schlägern? Da passen ja nicht mal die Skates rein.” Stimmt Kinder, das ist ebend nur Kompaktklasse. Seat behauptet zwar, daß 409 Liter in den Kofferraum passen, soch bei mir kommt das Gefühl auf, daß hier jemand schummelt. Der Kofferraum hat einen doppelten Boden. Andere Autos haben unter dem Boden ein Reserverad. Der Altea hat hier nur ein Loch für Gepäck.

“Ich sehe nichts, die Säule stört.”, wendet der Beifahrer ein. Auch das klingt bekannt. Die Sicht nach vorne ist nur mäßig. Die Ecken und Kanten des Fahrzeugs lassen sich beim rangieren nicht überblicken, doch hier sind andere Vans nicht viel besser. Ich verstehe nicht, warum alle so heiß sind auf Vans? Sie sind schlecht zu überblicken, die dritte Sitzreihe ist oft nur für Kleinkinder geeignet, durch den hohen Schwerpunkt wackeln sie gerne, die Querschnittsfläche eines Ziegelsteins drückt auf Fahrleistungen und Verbrauch. Und besonders viel Kofferraum bieten sie auch nicht.

Immerhin verzichtet der Altea auf die dritte Sitzreihe bei seinen kompakten Außenmaßen. Der Vorteil: auf der Rücksitzbank wird eine ausgesprochen gute Kniefreiheit geboten. Groß gewachsen sollten die hinteren Passagiere aber nicht sein, sonst kommt es zum Kontakt mit dem Dachhimmel.

Brumm…

Hertz hat mir ein Modell mit 1.9l, 105PS Dieselmotor gegeben. Die Fahrleistungen sind typisch für die 100PS-Klasse. Von besonderer Sportlichkeit sollte man da nicht träumen, erst recht nicht, weil es sich um ein Ziegelsteiableger handelt. Ein BMW 118d mit 115PS Diesel ist unvergleichlich spritziger. Seat scheint den Motor aus dem VW Regal etwas von seiner Schärfe genommen zu haben. VW Dieselmotoren neigen dazu eine urplötzliche, urgewaltige Kraftentwicklung zu zeigen, sobald eine bestimmte Drehzahl erreicht ist. Das klingt im erstem Moment toll, aber in der Praxis nervt es. Die kleinen Fronttriebler haben keine Chance die Reifen im Griff zu halten, wenn volle Dieselpower losgelassen wird. Sobald die Straßenverhältnisse nicht perfekt sind, drehen die Räder durch. Angenehmer sind Motoren, die gleichmäßig an Kraft zulegen. Doch dieser Seat Altea zeigt nicht den extremen Kick, er fährt sich harmonischer. Das Ergebnis der Bemühungen des Motors einen Ziegelstein gegen die Luft anzuschieben sind: 12,3s von 0-100 km/h, 181 km/h Spitze. Zum Vergleich ein BMW 118d regelt bei Tacho 220 ab. Das dürften echte 210 km/h sein – der Reifen wegen. Einem weiterem Ruf wird der Motor gerecht: laut. Seat verzichtet anscheinend auf aufwändige Dämmung. So macht hohes Tempo gar keinen Spaß.

Erstaunliches leistet das Fahrwerk. Laut Autobild ähnelt es dem Golf Plus. Der Altea ist relativ hart, aber nicht übertrieben hart, gefedert. Die ESP-Lämpchen leuchten erstaunlich selten und das Auto fährt sich – für einen Van – sehr gut. Egal ob volles Tempo, Kreisel oder Feldweg: es gibt wenig zu meckern. Auf der Autobahn fordert mich ein freundlicher Mitmensch, nach reichlicher Ãœberlegungszeit, auf die Bremsen zu testen. Das Ergebnis überrascht mich positiv. Im normalen Golf endete die Bremsung von 180 auf 140 mit Angstschweiß auf der Stirn. Im Altea nicht.

Irgendwas Positives?

Die Sitze sind gut. Sie haben recht viel Seitenführung, sie passen gut. Durch die Höhenverstellung läßt sich sogar eine halbwegs tiefe Sitzposition einnehmen, auch wenn man in einem Traktor sitzt.

Aufgrund eines Motors, dessen Leistungsdaten nicht zum Rasen einladen, probiere ich es mal anders herum. Schleichen und Sprit sparen. Ich bin nach 85km Strecke Landstraße und Ortsdurchfahrt positiv überrascht. Ich habe zwar immer sehr vorsichtig beschleunigt und bin auch nur so schnell gefahren wie es jeweils erlaubt war, aber niemand hat mich überholt. Laut Bordcomputer liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit bei 59 km/ und der Verbrauch bei 4,3 Litern Diesel auf 100km. Hut ab! Auf der Autobahn mit 45km bei Schnitt 160 sind es knapp 12l. In der Praxis würde ich mit rund 6,5 Litern rechnen. Das wäre wiederum klassenüblich.

Und das soll ein Passat sein?

Nein, liebe Verantwortlichen bei Hertz. Für einem Vectra, Mondeo oder Passat ist das keine Alternative. Als Reisewagen ist er viel zu laut und in der Klasse “Intermediate – Group E (ICMR) VW Passat oder ähnlich” erwarte ich eine ausgewachsene 4-Personen Reiselimousine.

Nein, liebe Familienväter mit Sportambitionen. Ein Van ist keine Limousine oder ein Kombi. Ein Van ist immer noch ein Ziegelstein und Ziegelsteine sind nicht für schnelles Fahren gebaut. Kauft Euch einen schicken Kombi, da ist mehr drin.

Ja, lieber sportlicher Rentner. Dieses Auto ist heißer als deine A-Klasse. Kauf es. Ach, geht ja nicht. Drinnen ist es noch dürftiger als die erste Version der A-Klasse.

Herr Lembke, das ist das ideale Auto, um ihr Schweinerl zu füttern. Man weiß einfach nicht was es ist. Das errät niemand. Und wenn doch, dann einfach schnell die Definition ändern.

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