Ulf Wendel

Die neue A-Klasse: Papa’s Rasierapparat

Der Junge läuft rot an. Verzweifelt sitzt auf der Treppenstufe und brummt ohne Unterbrechung sekundenlang vor sich hin. Neben ihm sitzt ein zweiter Junge, der sein Brummen regelmäßig unterbricht. Der permanent brummende Junge macht Werbung für die Spielzeuge von großen Jungs. Sehr großen und alten Jungs. Er kleine Junge wird dafür bezahlt einen rotanlaufenden Eierkopf in die Kamera zu halten.

Ich sitze in der Neuauflage der A-Klasse. Der A150 mit brummt ohne Unterbrechung sekundenlang vor sich hin. Ich möchte nicht wissen ob der Motor auch gleich rot anläuft. Papa’s neuer Einkaufswagen ist mit einem elektrischen Rasierapparat verwandt. Einmal eingeschaltet und beschleunigt brummt er monoton vor sich hin. Stufenlose Automatik ohne Zugunterbrechung nennt Mercedes das. Hätte sich der Junge von Mercedes statt von VW bezahlen lassen sollen? Vielleicht, denn diese A-Klasse ist so breit und lang wie ein alter Renault Scenic und übertrifft den Golf damit subjektiv um Längen.

Anfangs kann ich es gar nicht glauben, wenn ich beschleunige. Der Motor nimmt eine optimale Drehzahl ein – 5.100 U/min – und behält diese während des gesamten Beschleunigungsvorgangs in der Stadt. Auch auf der Autobahn gibt es nur ein ein Geräusch: elektrischer Rasierapparat. Oder soll ich sagen: schnaufender Junge? Das Schnaufen wird umso bedrohlicher, je mehr sich die Ziegelsteinfront gegen den Wind presst. Der Motor ist überfordert. Um die angegebene Höchstgeschwindigkeit zu erreichen verweilt die Automatik im 5. Gang. Manuell geschaltet lassen sich alle 7 Gänge ausnutzen und deutlich mehr Gemütlichkeit in die Fahrgastzelle einziehen. Dem Magengefühl bekommt das genauso gut wie die im Vergleich zum Vorgänger verbesserte Straßenlage. Seekrank wird man so schnell nicht mehr in der A-Klasse und die Angst fährt bei höherem Autobahntempo auch nicht mehr mit.

Innen ist die A-Klasse nach der Renovierung nicht wiederzuerkennen. Die Sitze und Materialien stimmen jetzt. Papa findet alle Knöpfe in fast derselben Qualität wie in seinem richtigen Auto (C-/E-Klasse). Damit kann Mana jetzt standesgemäß einkaufen fahren. Nur beim Rangieren sollte sie sehr vorsichtig sein. Die Ecken des Fahrzeugs sind nicht zu erkennen, es muß über die stark verzerrenden Spiegel gefahren werden. Und Papa? Beim Jadgausflug ist Schleichfahrt angesagt. Ist ja auch besser, um das Wild nicht zu verscheuchen. Die Federn schlagen gerne mal im Waldweg voll durch. Das mögen die Spoilerlippen nicht.

Kurz: die A-Klasse ist nicht wiederzuerkennen. Jetzt ist es ein Auto geworden.

Comments are closed.