Ulf Wendel

Autos verderben den Charakter und die Linie

Früher hatte ich eine Mofa. Die fuhr 36 km/h Spitze, ungetunt. Ich war schlank und glücklich. Dann nahmen mir zwei der auf 25 km/h ausgelegten Fliehkraftkupplungen die 36 km/h übel und mir gingen die Ersatzteile aus. Die Kombination aus Zug und Schultaxi erreichte in der Spitze 170 km/h beim Ausliefern der Schulkinder. Diese Art des Transports benötigte aber etwa vier mal so lang wie die Mofa für die Wegstrecke zur Schule, da an jeder Milchkanne gewartet wurde.

Danach entdeckte ich, daß ein Fahrrad auch ohne spezielles Training eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h und bequem 30 km/h pro Stunde schafft. Man mußte nur 12.000 km pro Jahr fahren, um in Form zu bleiben. Ich war schlank und glücklich.

  Jahreskilometer (km) Vmax (km/h) Typische Avg (km/h) Maximale Avg (km/h)
Mofa 6.000 36 32 36
Bikomane 12.000 70 28 45
Aktuell 593 53 22 25
Moped 20.000 180 80 120
Popel 32.000 179.999 80 140
Mietwagen 20.000 247 80 195

Eine BMW R80/7 schafft bummelig 180 km/h, wenn es denn sein muß. Die Beine schmerzen nicht nach 100 km am Stück und statt 4 Stunden braucht man nur 1 Stunde für die Wegstrecke. So wurde die Mobilität auf 20.000 km pro Jahr gesteigert. Ich war glücklich. Bis die Ventile abrißen und einen Loch in einen Kolben schlugen. Ein Popel-Diesel-Kombi erreicht die 180 km/h nur, wenn es gaaaanz viel Rückenwind gibt, man gaaaanz dolle bergab fährt und gaaaanz starke Muskeln hat, um die Türen am Abfallen zu hindern. Trotzdem sind 500 km Wegstecke bequemer zu schaffen als mit einem Zweirad. Außerdem steigert man glücklich die Mobilität auf 32.0000 km pro Jahr bis der Motorschaden und trennte.

Mietwagen haben die angenehme Eigenschaft, daß selbst nach mehreren Break-Downs pro Jahr noch Ersatzmodelle zur Verfügung stehen. Weiterhin unterbieten sie die Reisezeit von Zug und Flugzeug auf allen innerdeutschen Strecken, wenn man die Reisezeit von Haustür zu Haustür einrechnet. Leider sind sie selten schneller als 247 km/h. Doch was nun: schneller geht es kaum mehr. Glücklich machen die hohen Geschwindigkeiten nicht mehr, schließlich rennen die meisten Mietwagen auch nur 210 km/h. Pierre bezeichnet mich zu Recht als übergewichtig und eine Treppe empfinde ich als Bergbesteigung.

Zum Glück bin ich gerade in einer Stadt installiert, die selbst der ADAC als fahrradfreundlich lobt. Gleich hinter Münster liegt das Landeshauptdorf Kiel in der Spitzengruppe der deutschen Dörfer. Grund genug wieder zu radeln und glücklich und schlank zu werden.

Theoretisch, so die überlegung, paßen mir dann auch irgendwann wieder die ganzen Hosen, die im Schrank archiviert werden. Theoretisch ist radfahren aus preiswerter als ein Mofa, Moped oder Auto zu bewegen. Praktisch sieht man sich wieder den alten Problemen der 12.000 km Jahre konfrontiert: in welcher Jacke schwitzt man nicht (Gore Bike Wear – yippie, alles wird gut!), welche Fahrradlampe hat die Bezeichnung Lichtquelle verdient (Psycho XxX wartet auf den Selbstbau das sollte der Sonne näher kommen als alles andere) warum verstellt sich eine Schaltung so oft, nur weil man nicht darauf achtet wie das Rad behandelt wird, warum kosten Ersatzteile so unendlich viel Geld.

Seit zwei Monaten versuche ich jetzt wieder zu radeln. Immerhin krieche ich jetzt nicht mehr wie ein Kleinkind durch die Wohnung, wenn ich abends 45 km mit dem Rad fahre, wie es noch vor wenigen Wochen der Fall war. Ich frage mich eher wie ich es schaffen soll abends genug Zeit zu finden, um mal 3 Stunden am Stück zu fahren.

Ach ja, die Hosen paßen immer noch nicht. Dauert wohl noch… Dafür ist es Entspannung pur abends über die Landstraßen zu rollen und es macht glücklich.

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